Jenseits der Stille

Mit der Bank über Kredite verhandeln, gehört zu den Aufgaben, die der Alltag für Lara bereithält. Dabei ist sie gerade acht.

Lara (Tatjana Trieb) ist Dolmetscherin für ihre Eltern. Ohne ihre Tochter können Vater und Mutter nur schwer mit ihrer Umwelt kommunizieren, beide sind taub.

Als Caroline Links Erstling 1996 in die Kinos kam, schien er schlecht in die damalige Filmlandschaft zu passen, die von mehr oder weniger intelligenten Komödien geprägt wurde: »Werner - Das muß kesseln«, »Männerpension«, »Das Superweib«, »Irren ist männlich« und »Echte Kerle« waren in jenem Jahr die gefragtesten deutschen Kinofilme. Link indes, die ihren Film trotz erheblicher Bedenken realisierte und sich eines vermeintlich sperrigen Themas annahm, sollte Recht behalten: Etwa zwei Millionen Zuschauer sahen allein in Deutschland seither »Jenseits der Stille«, Preise gab es zuhauf und obendrein eine Oscar-Nominerung.

Bruch mit dem Vater
Link stellt in ihren Film nicht die Gehörlosigkeit der Eltern in den Mittelpunkt, sondern konzentriert sich auf den Konflikt zwischen zwei Generationen. Freilich ist er im besonderen Fall um so heftiger, als Lara gerade zu ihrem Vater Martin (Howie Seago) ein inniges Verhältnis pflegt.


Wie hört sich Schnee an?Einen ersten Bruch bekommt das Verhältnis, als Clarissa, die Schwester Martins und somit Laras Tante, ihrer Cousine eine Klarinette schenkt. Sie, eine Jazzmusikerin, entdeckt in dem Mädchen eine musikalische Ader und will das Talent fördern. Auf Martin wirkt das Geschehen wie die Wiederkehr längst vergangener Zeiten: Als Kind musste er erleben, dass Clarissa wegen ihres Klarinettenspiels vom Vater bevorzugt wurde. Selbst Jahre später ist die Kränkung unvergessen, und Martin reagiert verärgert auf die Aktivitäten der Schwester, weil sie Lara eine Welt eröffnet, welche ihm verschlossen bleiben wird. Das Verhältnis zwischen Vater und Tochter bleibt fortan gespannt, während Kai, Laras Mutter, souveräner mit den musikalischen Ambitionen ihrer Großen umzugehen weiß.

Aufbruch nach Berlin
Von ihrem Musiklehrer und Clarissa ermuntert, geht Lara (Sylvie Testud), kaum 18 und nicht ohne Skrupel, nach Berlin, um eine professionelle Ausbildung zu beginnen. Dort lernt sie Tom kennen, verliebt sich in ihn, der an einer Gehörlosenschule unterrichtet.

Einmal noch fährt Lara nach Hause: Ihre Mutter (Emanuelle Laborit) verunglückt tödlich. Ihr Vater weist ihr am Tod Kais Mitschuld zu, schließlich habe Lara ihre Mutter zum Radfahren ermuntert habe, obwohl die unter Gleichgewichtsstörungen litt. Es kommt zum Streit, Lara flüchtet nach Berlin, das einst feste Band zwischen Vater und Tochter scheint endgültig durchtrennt.

Doch am Tag der Aufnahmeprüfung erscheint Martin plötzlich im Konservatorium. Er hat Laras Entscheidung akzeptiert.

Sechs Sprachen am Set
Durchaus ungewöhnlich waren die Dreharbeiten zu »Jenseits der Stille«. Emanuelle Laborit und Howie Seago, Darsteller der Eltern, sind selbst taub, sind in ihren Heimatländern Frankreich beziehungsweise USA durchaus bekannt. Beide beherrschen die Gebärdensprache. Nur ist die international keineswegs einheitlich: Die amerikanischen Gebärdensprache unterscheidet sich von der französischen, die wiederum von der deutschen. Laborit und Seago mussten also eigens für »Jenseits der Stille« eine neue Sprache lernen. Am Set wurde mithin in Deutsch, Englisch und Französisch jeweils als Laut- und als Gebärdensprache kommuniziert.